Was macht der Lehrer, wenn Ferien sind, ein Packen Kurzarbeiten auf die Korrektur wartet und Kachelmann für drei Tage Wind aus südlichen Richtungen garantiert?
Klar, er packt kurzentschlossen Rotstift, Kurzarbeiten und ein paar weitere Sachen in die Fahrradtasche, erledigt noch schnell paar Kleinigkeiten, setzt sich um 14 Uhr aufs Rad und strampelt Richtung Nordwesten, weil der Wind aus Südost bläst
Über solche beliebten Kurzreiseziele wie Pfaffendorf, Gersdorf, Reichenbach, Öhlisch, Glossen ging es allmählich immer weiter in das Gebiet der "Sorbenmafia". Nun hat der Herbst so seine Tücken, z.B. wird es deutlich zeitiger dunkel als im Hochsommer, und deutlich kälter scheint es abends auch zu werden. Wenn dann die anvisierte Unterkunft in Hohendubrau grad Ruhetag hat, da kommt dann schon die Frage auf, ob man nach den 65 km die 16 km bis Bautzen noch im Tageslicht schafft, um mit dem Zug wieder an den heimischen Herd zurückzugelangen. Aber eine unbewusste Kopfbewegung um 180 Grad ließ den Blick auf die andere Straßenseite fallen, und da stand in leuchtenden Lettern "Pension" und etwas kleiner geschrieben "Restaurant". So bleibt der vorzeitige Abbruch der Tour nur gedacht...
Am nächsten Morgen, eigentlich fast schon am Mittag (... die Kurzarbeiten...) sollte es weiter gehen. Schnell noch ein Foto von der Pension, dann das Bücken zum Rucksack und beim Aufheben des (leeren!!!) Gepäckbeutels gab es einen "viehischen" Stich im Kreuz, und zum zweiten Mal schoss (neben dem Schmerz) wieder der Gedanke nach Aufgabe durch den Kopf. Naja, irgendwie bin ich dann auf's Rad draufgekommen, aber so steif habe ich noch nie auf meinem Drahtesel gesessen und jeder Holper wurde zur kleinen Qual. Irgendwie gewöhnt sich der Körper an alles(?) und schon am Hexentanzplatz konnte ich wenigstens ohne fremde Hilfe wieder absteigen. Auf Kachelmanns "Rückenwind aus Süden" jedenfalls war Verlass und so ging es munter weiter, vorbei an Tagebaurestlöchern, Richtung Spremberg, am Westufer des gleichnamigen Stausees entlang und unweigerlich trieb mich der Wind Richtung Cottbus. Kurz davor, am Rande von Gallinchen, steht die "Kutzeburger Mühle", die mir leckres Essen am Kamin mit romantischem Ambiente und nicht nur ein Zimmer, nein, sogar eine kleine Wohnung direkt überm Pferdestall, bot. Die Pferde haben mich nicht gestört, was man von den vielen Fliegen so absolut nicht sagen kann. Aber nach 80 km lassen einen solche Kleinigkeiten kalt, vor allem, wenn es draußen inzwischen wirklich kalt und dunkel ist.
Gaaaanz vorsichtige Bückbewegungen am nächsten Morgen und ab Richtung
Frühstück. Dann noch 'ne Runde Kurzarbeiten und die damit verbundene
Hoffnung, dass die Morgenkälte sich allmählich verziehen wird. Fast
schon gegen Mittag, nach einem locker-elastischen Hüftumschwung auf den
Sattel, ging es weiter in Windrichtung, hindurch durch Cottbus. An den Peitzer
Fischteichen kam ich nicht ohne die Verkostung einer
wirklich leckren Fischsuppe vorbei. So gestärkt bereiteteten dann die langen,
oft schnurgeraden Wege durch ehemaliges
Militärgelände keine großen Schwierigkeiten, zumal der
Herbst schön, das Land platt, der Radweg
neu und der Rückenwind... aber den erwähnte ich ja bereits!
Doch plötzlich, was ist das? Ein Berg in dieser Heide? Und kein Asphalt
mehr, sondern übelstes Kopfsteinpflaster, steil abfallende Straßenränder,
am tiefen Grund ein See erkennbar. Wo bin ich hingeraten?
"Schlaubetal" steht an den Wandertafeln.
Eine wirklich faszinierende Landschaft nach der spärlichen Vegetation in
der "Bergbaufolgelandschaft", soweit man das im Dämmerlich noch
erkennen kann, aber wo geht es hier rein oder raus oder wie? Und dunkel wird
es auch gleich, Peter ganz allein im dunklen Wald, kurz vor dem Erfrieren, natürlich
ohne Licht am Rad, nicht mal Reflektoren. Doch da! Ein Schild! Pension! Die
Rettung... Pustekuchen, alles belegt! Aber ich könnte es ja im 10 km entfernten
Nachbardorf versuchen... Zum Glück habe ich mich bei der Fahrt ins
Nachbardorf nun völlig im Wald verfahren und stand plötzlich vor einem
"Forsthaus", das aber schon lange kein
Forsthaus, sondern inzwischen ein Hotel im gehobenerem Ambiente ist. Es war
beleuchtet, was ich ja von mir und meinem Drahtesel, siehe oben, nicht sagen
konnte. Dass die dort nun ausgerechnet für mich noch ein Einzelzimmer frei
hatten, grenzt ja fast schon an Wunder. Und bei einem Wunder darf man natürlich
nicht nach dem Preis fragen, sonst löst sich das Wunder vielleicht noch
in Luft auf. Es wurden schon deutlich höhere Summen ausgegeben, um jemanden
vor dem Dreifach-Tod durch Erfrieren, Verhungern und Verdursten zu erretten!
Achso, und vor allgemeiner Schwäche, es waren immerhin wieder 80 km!
Ich hab dann am nächsten Morgen ungeahnte Mengen vom Früstücksbuffet
in mich reingeschaufelt, um das Preis-Leistungs-Verhältnis wenigstens einigermaßen
ausgeglichen zu gestalten. Bin dann sogar um 10 Uhr schon wieder auf Achse gewesen.
Erstens stand es so in der Hotelordnung und zweitens hatte ich den Winkelmesser
zu Hause vergessen. (Nur mit einem solchen hätte ich die die Aufgabe 3
korrigieren können.) Da die Landschaft dort wirklich beeindruckend war
habe ich noch eine kleine "Lokalrunde"
gedreht, bevor ich mich dann wieder dem Rückenwind unterwarf. Der trieb
mich über Müllrose (das dopplte L ist kein
Tippfehler!), vorbei am Helenesee, immer
weiter Richtung Frankfurt.
Es waren immerhin nochmal 60 km, bis ich kurz im doppelten Sinne, nämlich
kurz-ärmlig sowie kurz vor den ersten Regentropfen, dort am Bahnhof ankam.
Trotz des überreichlichen Frühstücks passte noch ein Döhner
rein, bevor ich dann im weichen Zugsitz versank und bei der Rückfahrt die
schönsten Momente
meiner viertägigen
Herbtsradtour nochmal
Revue passieren ließ.